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Bibis Beauty Palace vs. Qualitätsjournalismus

Sven Ivo Brinck, ehemaliger CEO der mybet Holding SE, schrieb für Newsslash einen Artikel über Bibis Beauty Palace vs. Qualitätsjournalismus. Was dies mit Viewer, Duschschaum und Millionen zu tun hat, verrät der Artikel.
Von Sven am 07.01.2016
Bild-Quelle: BibisBeautyPalace
Vor wenigen Wochen war es so weit. Bibi hat ihr erstes Beautyprodukt auf den Markt gebracht. Duschschaum in den Duftrichtungen „Tasty Donut“ oder „Creamy Mandarin“ – dafür aber vegan und gut gestylt, kann man die Extravaganz für 3,95 Euro exklusiv bei DM kaufen.

Wer Bibi ist? Im Klarnamen Bianca Heinicke, ist Bibi eine der erfolgreichsten deutschen Youtuber und mit gut 2,6 Millionen Abonnenten das, was neudeutsch „Influencer“ genannt wird. Ein Influencer ist das, wonach es auch benannt wird: Jemand der andere Menschen beeinflussen kann. Und das eignet sich natürlich neben Propaganda spitzenmäßig für Werbung.

Bibi ist zudem im attraktiven Beautysegment unterwegs und ihre „Kundschaft“ auf Youtube sind vorwiegend Teenagermädchen und weibliche Twens. Die haben hohes Interesse an Beautyprodukten und anderen, kontextuell sensitiven Segmenten. Das führt dazu, das Bibi wohl von der Werbeindustrie überschüttet wird mit Aufträgen und angeblich noch mal deutlich mehr als der überdurchschnittlich erfolgreiche Youtuber verdient.

Wie viel verdient ein YouTuber?
Was verdient denn eigentlich so ein Youtuber? In der Regel nahezu nichts. Youtube gehört zu Google und bietet die Möglichkeit vor einem Video oder auch als interstitial Werbung aus dem Adsense Netzwerk laufen zu lassen. Die TKP liegen hier aber im Bereich weniger Cent bis maximal einstellige Eurobeträge. Relevante Einnahmen erlangt man hier erst ab siebenstelligen Views pro Monat. Ein langer Weg, der nur funktioniert, wenn man massig Abonnenten hat, konstant neue Videos produziert und „trendy“ bleubt. Abonnenten bekommt man aber nur, wenn man mindestens einem dieser Kriterien entsprechen kann:

- Man dreht seine Videos über eine Nische und bei ausreichend breiter Nachfrage gibt es niemanden (oder nur wenige) andere die das Gleiche tun
- Man ist, aus welchem Grund auch immer, angesagt und Zuschauer sehen die eigenen Videos unabhängig vom Inhalt
- Man ist in der Lage ein Mainstreamthema so aufzubereiten das es sehr unterhaltsam ist
- Man ist in der Lage, sich selber zu einer Marke aufzubauen die Strahlkraft hat, sich im Gehirn der Zuschauer verankert und für sich genommen alleine funktioniert

Man merkt also schon – total simpel :). Dementsprechend gibt es auch im Youtube Kosmos das Paretoprinzip in starker Verschärfung. Von den mehreren hunderttausend „Broadcastern“ (bezieht sich nur auf die, die ernsthaft versuchen wiederkehrend Inhalte zu produzieren) spielen 95% nichts oder fast nichts ein. Die restlichen 5% abzüglich einiger (?) 100 Personen erwirtschaften geringe bis höhere vierstellige Beträge. Das ist schon mal nett. Die restlichen etwa hundert Personen in Deutschland verdienen Beträge größer 10.000 Euro pro Monat. Einige wenige sogar vielleicht hunderttausend oder mehr in einem Monat. Das ist sehr beachtlich – allerdings muss man auch ganz klar sagen – die Wahrscheinlichkeit so erfolgreich zu werden ist extrem gering und der Erfolg kann im schnelllebigen Videogeschäft von extrem kurzer Dauer sein. Ich kenne jemanden der mit „how to“ Videos im Skillgamebereich lange Zeit jeden Monat 5 – 8.000€ verdient hat. Diese Person hat berichtet, wie anstrengend das Business war und wie schwer es zu verteidigen ist. Dementsprechend hat sich das Niveau auch nicht dauerhaft halten lassen. Man merkt also schon – bis zur Rente ist das vermutlich nichts.



Mal ein paar Quellen, wo man sich anschauen kann was so geht. Auf Socialblade kann man sich anschauen, welche Youtuber (weltweit) die meisten Abonnenten haben und wie viel Views diese bereits produziert haben. PewDiePie – der über Games berichtet und echt gut ist – hat mit 40 Millionen Abonnenten und über 10 Milliarden Views (ja – Milliarden!) Platz 1 im weltweiten Ranking wenn es um die Zahl der Views geht. Damit liegt er noch vor den kommerziellen aufgepumpten Superstars von Coldplay oder Justin Bieber. Nach Einschätzung von Social Blade kann man mit dem monatlichen „Viewvolumen“ von PweDiePie 67.100 – 1.100.000 USD verdienen. Die Bandbreite resultiert aus dem Umstand, das man die Mindesteinnahmen via Adsense recht sicher ermitteln kann – aber auch klar ist, das PewDiePie noch andere Deals hat, mit denen er im Rahmen der Vermarktung Geld verdient. Vermutlich liegt der tatsächliche Betrag in der gehobenen Mitte, da es nur schwer möglich sein dürfte, dauerhaft alles zu monetarisieren was theoretisch machbar ist.

Zurück zu Bibi. Sie gehört in Deutschland nicht zu den Top-Broadcastern, scheint aber werbeseitig sehr beliebt zu sein. Ich finde Ihre Videos recht gelungen, wenn man an die Zielgruppe denkt und kann mir gut vorstellen, das sie eine werbliche Durchsetzungskraft hat. Bibi soll teilweise Clickthroughrates von um die 30% haben (Adview → Interaction) und bei Bewerbung von Apps eine Conversion Rate von um die 15% (Adview → Install). Das ist extrem hoch und damit werden auch hohe „TKP“ von 5 – 15 Euro bezahlt. Dazu kommen noch Einnahmen aus Product Placement und weiteres, sodass Bibi wohl gut auf 30 – 60.000€ Einnahmen kommt – pro Monat.

In den berichtenden Medien findet neben dem Erstaunen über diese Geldmengen aber auch eine sehr kritische Reflektion der Tätigkeiten an sich statt. Den erfolgreichen Youtubern wird im Grunde vorgeworfen, das mit kaschierter oder gänzlich verschwiegener Werbung (Schleichwerbung?) vorwiegend leicht beeinflussbare Jugendliche manipuliert werden, diese zu konsumgeilen Monstern werden und die Youtuber sich auf Kosten eben dieser Jugendlichen und Eltern die Taschen vollstecken. Sofern Kommentare erlaubt sind, heizen sich die Kommentatoren gegenseitig auf und ziehen darüber her. Ertaunlicher Weise eher über die Youtuber, denn über die Werbetreibenden selbst.

Ich finde, das ist eine bigotte Argumentation, die realitätsfremd und von Angst getrieben ist. Bigott weil es wohl kein Massenmedium gibt, das Werbung ernsthaft qualitativen Kriterien unterwirft. Letztlich wird alles beworben, das bezahlt wird. Da sind die Printmedien oder das TV genau so gut oder schlecht wie Youtube. Realitätsfern ist die Kritik da sie auf der Annahme fußt, das Jugendliche Werbung auf Youtube nicht als solche identifizieren können und sich manipulieren lassen. Ich denke hingegen, das die Wirkung von Werbung auf Youtube der im TV oder Printmedien mehr oder weniger entspricht.

Bleibt die Angst. Die großen Medienhäuser und TV Sender die nicht den Kopf im Sand stecken haben, haben verstanden was da passiert. Die nachwachsenden Generationen nutzen Ihre Produkte immer weniger. Online statt Print. Video on Demand statt TV. Vor fünf Jahren noch haben sich die Medienmanager die Bäuche gehalten vor Lachen wenn es um Youtube ging. Zu schlechte Qualität, kein Businessmodell etc. Das Lachen dürfte weniger geworden sein und selbst Youtube steht unter massivem Verdrängungsdruck durch „realtime“ Angebote wie Periscope. Sich über die vermeintlich niedere Qualität zu mokieren ist meiner Meinung nach typisch für jemanden der Angst vor dem Verfolger hat. Neben der reinen Verschiebung der Nutzung geht es auch um den Wegfall technischer Restriktionen. Vor einigen Jahrzehnten noch war es technisch den großen Medienunternehmen vorbehalten Inhalte zur produzieren und zu verbreiten. Inzwischen hat im Grunde jeder die Möglichkeit selber mediale Inhalte zu produzieren und auch zu broadcasten. Rein theoretisch ist jeder ein eigener TV Sender – wenn er möchte.

Bibi und Ihr Duschschaum werden in einigen Monaten oder Jahren mit sehr hoher Sicherheit passé sein. Ersetzt durch neue und mehr „Botschafter“ der neuen Medienformate. Wer das nicht versteht, wird dauerhaft keinen Platz mehr im Aufmerksamkeitsmix der kommenden Generationen finden.

Sven Ivo Brinck arbeitet seit 1999 in der Internetbranche und ist Experte für digitale Geschäftsmodelle sowie Unternehmensführung. Zuletzt war er CEO bei der mybet Holding SE. Seit Anfang 2016 bietet Brinck seine Erfahrungen und Leistungen als freier Berater an. Webseite: svenivobrinck.de
Tags: Tech, BibisBeautyPalace, Sven Ivo Brinck, Kolumnen
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