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André Bernhardt / IndieAdvisor: Die neue Rolle des Publishers

André Bernhardt hat einen Gastartikel für Newsslash verfasst und widmet sich hierbei dem Thema: Wie hat sich die Rolle der Spiele-Publisher in den vergangenen Jahren verändert. André arbeitete früher unter anderem im Business Development für RTL interactive und Travian Games. Mittlerweile ist er selbständig als Berater und „IndieAdvisor“ in der Spiele-Industrie tätig.
Von Andre am 02.04.2014
Vor kurzem bin ich von der Casual Connect 2014 aus Amsterdam zurückgekehrt und eins der spannenden Themen, die ich dort in zahlreichen Gesprächen und Vorträgen mitgenommen habe, ist die Frage nach der zukünftigen Rolle des Publishers innerhalb der Spieleentwicklung. Im folgenden Text, habe ich versucht, meine Gedanken dazu zusammenzufassen:

Anfang der neunziger Jahre war die Welt noch einfach: Der Publisher finanzierte die Entwicklung eines Videospiels und übernahm nach erfolgreichem Abschluss der Entwicklung, die komplette Vermarktung und Distribution des Spiels in analoger Form sowie das Marketing und die PR. Es wurden physische Medien bespielt, seien es Disketten oder CD-ROMS, Handbücher gedruckt und alles in einen mehr oder minder schön gestalteten Pappkarton gepackt und dann über zahlreiche Stationen an all die Einzelhändler ausgeliefert. Außerdem wurden bei der Computerbild Spiele und der Gamestar Anzeigen geschaltet, vier Interviews und exklusive Screenshots an die Onliner verteilt und etwas Momentum für den Release erzeugt. Bestenfalls ging der Spieler dann am Tag der Veröffentlichung zu Kaufhof, Saturn, Gamestop oder wo auch immer, kaufte die Box, um dann zuhause drauflos zu spielen.

Der Spieler braucht keine nullachtfünfzehn Box und Printwerbung verliert an Bedeutung
Heute hat sich das geändert, denn der Spieler braucht keine nullachtfünfzehn Box mehr. Schlimmstenfalls kauft er eine Box in der nur ein Download-Code, aber kein Medium oder Handbuch mehr liegt. Selbst mit Medium ist es oft so, dass man sich nach der Installation des Spiels zumeist ein Gigabyte-großes Update ziehen muss, bevor man losspielen kann (World of Warcraft-Spieler oder PS3-Nutzer können ein Lied davon singen). Printwerbung verliert an Bedeutung, denn zwischenzeitlich rauschten die Auflagenzahlen der deutschen Specialinterest-Presse im Gros in den Keller. Wer keine Zeitschrift mehr kauft, der stolpert natürlich auch nicht mehr über all die schön gestalteten Anzeigen.

Wenn keine Verpackung mehr gebastelt werden muss und keine Anzeigen mehr geschaltet werden, brauche ich dann als kleiner Entwickler überhaupt noch einen Publisher? Na gut, irgendwer muss die Entwicklung finanzieren, kann man dagegen halten, der Publisher als Torwächter prüft den Marktwert einer Idee und wenn er dafür einen Markt sieht, investiert er in die Entwicklung und trägt das Risiko. Sollte das Spiel nicht funktionieren, dann hat der Entwickler zumindest sein Geld wieder drin und der Publisher sieht alt aus. Sollte das Spiel jedoch durch die Decke gehen und überragend verkaufen, dann hat der Entwickler nichts davon, da der Publisher sich häufig alle Rechte am geistigen Eigentum (der IP) gesichert hat und zudem auch nur in seltenen Fällen eine Gewinnbeteiligung einräumt. Der Publisher schützt sich dabei über den Portfolio-Ansatz, d.h. Electronic Arts produziert nicht umsonst jedes Jahr ein neues Fifa Football und ein Madden, um dann einmal im Jahr einen innovativen Titel wie Spore zu entwickeln.

Brauche ich wirklich noch einen Publisher?
Sollte ich also heutzutage Hobby-Entwickler sein, brauche ich dann noch einen Publisher? Ich brauche keine Box, ich brauche keine Anschubfinanzierung, ich brauche keine Printwerbung und die Distribution übernimmt ja sowieso Apple, Google oder Valve, wozu also noch einen Publisher? Für nichts, man braucht ihn nicht. Wenn dies für Hobby-Entwickler gilt, ist es dann auch der richtige Weg für (semi-)professionelle Entwickler? Ja und nein!

Man muss ganz genau differenzieren, was man als Entwickler erreichen möchte, um dann dahingehend die richtigen Mittel und Wege zu wählen. Die zahlreichen Appstores in ihrer jetzigen Form sind Lotterien. Sobald ich mein Spiel dorthin übermittle, was nun wirklich kein Hexenwerk mehr ist, nimmt es an der Verlosung teil und ich habe die Chance sehr, sehr viel Geld zu verdienen (siehe Flappy Birds oder Tiny Wings), aber bei über 260.000 Games im Store ist die Wahrscheinlichkeit doch eher gering. Um gesehen zu werden, brauche ich Multiplikatoren. Social Media, Presse, Partner, Cross-Promotion Publisher, Community, etc. Manche Multiplikatoren kann man als Entwickler beeinflussen, sei es mit Zeit oder Geld, manche hängen allein vom Glück ab.

Das Stichwort lautet hier Serendipität, d.h. ich kann den Zufall, bzw. das Glück nicht herbeireden, aber ich kann zumindest dafür sorgen, die Eintrittswahrscheinlichkeit durch intensive Beschäftigung mit dem Thema zu erhöhen. Das oft strapazierte Beispiel in diesem Zusammenhang ist natürlich Angry Birds - Rovios 52. Titel, der dem Studio letztendlich zum Welterfolg verhalf. Allerdings muss man erstmal den Atem haben, zweiundfünfzig Titel zu veröffentlichen und sich über diesen Zeitraum zu finanzieren. Als Entwickler muss ich mich selber fragen, bringt das Team alles mit, um alleine erfolgreich zu werden. Habe ich Persönlichkeit, die ich als Entwickler erfolgreich verkaufen kann?

Ich bin regelmäßig auf der Preisverleihung des Deutschen Computerspielpreises, eine wunderbare Veranstaltung für die Gamesbranche, aber nichts, was man im Fernsehen einem Massenpublikum als Gala verkaufen würde. Entwickler, die primär fantastische Spiele machen, versprühen nicht unbedingt den Glanz und Glamour eines Film- oder Rockstars, die per se diese Qualität mitbringen müssen, um erfolgreich zu sein. Das ist gar nicht negativ gemeint, man sollte diese Veranstaltung eben eher mit der Nobelpreisverleihung vergleichen, bei der Wissenschaftler für Ihr Werk und Ihre Leistungen geehrt werden und weniger für Ihre Persönlichkeit. Selbstverständlich hinkt der Vergleich, da der deutsche Computerspielpreis nicht die Bedeutung des Nobelpreises hat. Es geht hier allein um den modus operandi. Bis die kulturelle Strahlkraft mit wirtschaftlichen Bedeutung gleichzieht, wird noch etwas Zeit vergehen.

Die Presse berichtet nun mal lieber über Sex, Drugs and Rock´n roll und wenn ich das als Entwickler nicht verkörpere, dann braucht es jemand anderen, der das tut. Umso mehr freut sich die Presse über einen Jade Raymond oder eine John Romero, die man fantastisch als Gallionsfigur nutzen kann oder aber polarisieren. Ähnliches gilt für die Community Arbeit, die ich leisten muss.



@Notch, den der ein oder andere kennen sollte, hat 1,54 Millionen Follower auf Twitter, aber er hat dafür auch 27.400 Tweets geschrieben. Vergleichen wir das einmal mit drei deutschen Twitter-Accounts: Deep Silver kommt als Publisher auf 23.000 Follower bei 1.500 Tweets. Bluebyte als Publishing-Entwickler-Hybrid auf 62 Tweets und 739 Follower. Ein neues Studio aus Berlin: Maschinenmensch liegen mit Ihrem Erstlingswerk Curious Expedition inzwischen bei 1.700 Tweets und 1.000 Followern. Ganz offensichtlich besteht hier eine gewissen Korrelation zwischen Aktivität und Reichweite.

Um die Twitterleistung von Notch mal grob in ein Verhältnis zu setzen, muss man jedoch andere Vergleiche heranziehen. Ich habe hier das Twitter-Team der deutschen Bahn aufgeführt. 12 Personen kommen Vollzeit inzwischen auf 112.000 Tweets. Natürlich sind hier Äpfel mit Birnen verglichen, aber da Twitter in Deutschland immer noch stark unterrepräsentiert ist, geht es erstmal darum ein Gefühl für die Zahlen zu entwickeln. Würde die Bahn zwölfmal Notch engagieren, müsste @DB_Bahn auf knapp 328.000 Tweets kommen und würde Tag und Nacht twittern.



Und Twitter ist nur ein Social Media Kanal, der bedient werden muss, darüber hinaus gibt es ja auch noch Facebook, Foren oder auch Steam, IndieDB, etc.

Wenn ich die Community als Multiplikator oder als Finanzier einsetzen möchte, muss ich diese zu allererst aufbauen. Viele Entwickler scheitern auf Kickstarter oder Indiegogo mit ihrer Kampagne, da sie hoffen, dass ihnen potentielle Fans die Tür einrennen werden, sobald die Webseite live geschaltet ist, das Gegenteil ist der Fall, niemand wird darauf aufmerksam. Also sollte sich jeder Entwickler auch hier ehrlich fragen, habe ich eine Community, kann ich den Aufbau selbiger aus eigener Kraft stemmen? Falls die Antwort hier nein lautet, sollte ich mich auf die Suche nach einem Partner machen. Welcher Publisher nun der richtige ist und wodurch sich ein Publisher heute definiert, ist ein ganz anderes Thema und muss zukünftig in einem anderen Artikel behandelt werden, um hier den Rahmen nicht zu sprengen.

Zum Abschluss noch ein Schaubild, dass den Wandel sehr deutlich veranschaulicht und dass ich aus einer Präsentation von Mitch Lasky von Benchmark Capital entliehen habe, die ich auf einer GDC in San Francisco im Rahmen deren Invests in League of Legends gesehen hatte.



t ist die Zeitachse. Die obere Hälfte zeigt das klassische Publishing-Modell. Der Entwickler ist nur für den Development-Teil zuständig, seine Arbeit am Produkt endet mit dem Release (plus den einen oder anderen Patch). Der untere Teil zeigt die heutige Ära – mit besonderem Fokus auf Free-to-play Titel, bzw. Games as a service. Bereits früh nach Entwicklungsstart wird damit begonnen, Reichweite aufzubauen und gleichzeitig das eigene Spiel überprüft und basierend auf dem Feedback und Metriken der Nutzung, poliert und geschliffen ad aeternam.

Alle drei Aufgabenbereiche müssen dabei abgedeckt werden, wenn ich mir das als Entwickler alles alleine zutraue, dann steht dem Versuch des erfolgreichen Selfpublishing nichts im Wege. Wenn ich dort jedoch Defizite und Probleme sehe oder aber mich auf meine Kernkompetenz, den Entwicklungspart, fokussieren möchte, dann sollte ich mit einem Publisher sprechen.

André Bernhardt ist seit 1997 teil der deutschen Gamesbranche und hat sich nach Stationen bei Publishern in Frankfurt, Köln und München, in Berlin selbständig gemacht. Er unterstützt als IndieAdvisor Entwickler auf Publishersuche und vice versa. Darüber hinaus ist er Gastdozent an der MD.H Berlin und FH Salzburg. Man findet Ihn als @Indie_Advisor auf Twitter oder kann Ihn über www.indieadvisor.de kontaktieren.
Tags: Kolumnen, André Bernhardt, Games
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